Süddeutsche Zeitung: Original oder Fälschung?
Original oder Fälschung?
Ein Paar aus Niederbayern hat ein europäisches Patent erhalten für die Echtheitsprüfung von Edelmetallen. Es will einfachen Anlegern helfen, selbst herausfinden zu können, welche Qualität gekauft oder getauscht wird.
Von Simone Boehringer Redakteurin, Wirtschaft
Diese Barren sind garantiert echt; sie liegen in einem Tresor in London. Foto: dpa
München – Es ist der Bombentrichter, der Inge Niedermeier nicht aus dem Gedächtnis ging – und sie zur Erfinderin machte. Ein Bombentrichter der Nachkriegszeit, wie es ganz viele in Deutschland und auch in Niederbayern gab. „Meine Mutter hat mir immer wieder davon erzählt, wie sie ihr Geld, damals Bündel von Reichsmark in den Bombentrichter werfen musste und dann dafür Marken erhielt, mit denen sie die allernötigsten Lebensmittel kaufen konnte.“ Der Familienschmuck und ein paar Goldstücke, die die Familie aus dem Sudetenland noch dabei gehabt habe für Notfälle, seien in der Zeit vor der Währungsreform 1948 nicht verkäuflich gewesen. „Es gab schlicht niemanden, der den Wert hätte zuverlässig messen können.“
Tatsächlich machen die unterschiedlichen Reinheiten, Legierungen und Materialbeimischungen bei Schmuck genauso wie bei Anlagegold in Barren und Münzen die Schätzarbeit recht anspruchsvoll, und Fälscher stoßen bis heute oft auf ahnungslose Kunden, die sich Messing, Wolfram oder andere Metalle als Beimischung unterjubeln lassen. „Fälschungen erreichen den Markt meist in Wellen. Zuletzt kamen im Frühjahr viele Imitate aus China, die teils über Internetportale offiziell zu Schauzwecken verkauft worden waren“, weiß Daniel Schröder, Goldschmied beim Edelmetallhändler Pro Aurum.
Es hat sich viel zu wenig geändert in den Prüfsystemen, findet Inge Niedermeier, die mit ihrer Familie heute in Straubing wohnt. Fernsehberichte über die Finanzkrise und von Sparern vor geschlossenen Banken in Griechenland und Zypern waren dann Anlass genug für die gelernte Kauffrau, selbst in der Sache tätig zu werden: Zusammen mit ihrem Mann, Manager in der Lebensmittelbranche, einem Chemiker und einem Programmierer, tüftelte sie an einem Goldprüfsystem, das es Privatleuten ohne aufwendige Prozesse erlauben soll, jederzeit die Echtheit von Edelmetallen zu testen. Ein Nischenprodukt könnte man meinen, vor allem zurzeit, da viele Experten die Finanzkrise im Griff glauben.
Der Anleger soll selbst herausfinden können, welche Qualität er kauft oder tauscht
Aber Patentprüfer stört das nicht, sie prüfen keine Trends oder Moden, sondern die Neuheit von Erfindungen. Und so kommt es, dass die Niedermeiers gut drei Jahre nach der Einreichung eine Patentnummer für ihr Prüfsystem bekommen haben, direkt vom Europäischen Patentamt. ,,Bestände aus reinem Gold werden mit einer Schutzhülle versehen, die das Edelmetall komplett umfassen. Ein Prüfzeichen darauf ist mit einer App verbunden, über die via Lesegerät, in den meisten Fällen ist das ein Handy, die Unversehrtheit der Hülle geprüft werden kann“, erklärt Maximilian Niedermeier, auf den das Patent angemeldet und eingetragen ist. ,,Es funktioniert wie eine Rüstung“, ergänzt seine Frau. Sollte also jemand versuchen, ein Goldstück oder einen Barren zu manipulieren, etwa indem Gold herausgeschnitten und durch das gleich schwere, aber minderwertige Wolfram ersetzt wird, würde die App die Verletzung der Hülle melden, erläutert das Paar aus Straubing.
Aber wie relevant ist so eine Erfindung? Schließlich gibt es schon diverse Prüfverfahren, mit denen Händler, Banken und Prägeanstalten den Wert und die Echtheit von Edelmetallen testen können. Goldschmied Schröder von Pro Aurum etwa verbringt einen Gutteil seiner Arbeitszeit mit der Prüfung von Ware, die angekauft werden soll. „Es ist aufwendig, die Echtheit von Gold sicher zu testen“, erklärt er. Gute Imitate enthielten heutzutage nicht nur eine Goldkruste, sondern zum Teil „bis zur Hälfte echtes Gold, bloß der Kern ist aus einem anderen Metall wie etwa Wolfram“.
Um solche „besseren“ Fälschungen zu erkennen, nutze man mehrere teure Geräte, etwa eine Magnetwaage, ein Messgerät, das die Leitfähigkeit von Metall nachweist oder auch ein spezielles Röntgengerät, das auch Beimischungen von Billigmaterialien in mehreren Zentimetern Tiefe erkennt. Aber die Gerätschaften kosten oft fünfstellige Beträge, sind für Privatleute daher uninteressant. „Es geht darum, dass der einfache Anleger selbst jederzeit herausfinden kann, welche Qualität an Gold er kauft oder tauscht“, eben ohne Umweg zum Juwelier oder Goldhändler, erklärt Maximilian Niedermeier. Dann, so ist er überzeugt, würde der Goldmarkt für Privatleute transparenter. „Wer weiß schon, wie lange es mit dem Geldsystem noch so weiter geht“, meint Inge Niedermeier, sofort sind ihre Krisengedanken wieder da. „Mit Gold konnte man im Zweifel immer bezahlen.“ Das Schutzhüllenpatent solle die Menschen mündiger machen im Umgang mit Gold. Immerhin: Die Deutschen gehören auch fast zehn Jahre nach Ausbruch der letzten Finanzkrise zu den größten privaten Goldbesitzern der Welt. Studien zufolge schlummern mehr als 8000 Tonnen in Form von Barren, Münzen oder als Schmuck in den Tresoren von Privatbesitzern hierzulande, Tendenz steigend. Der Goldschatz der Bevölkerung macht damit jetzt schon mehr als das Doppelte dessen aus, was die Deutsche Bundesbank an Gold als Währungsreserve ausweist (knapp 3400 Tonnen). Und solange die Debatte um mögliche Euro-Austritte, Rettungspakete und Tiefzinsen für Sparer nicht abebbt, bleibt das Edelmetall weiter als Krisenmetall gefragt. Seit Anfang des Jahres ist der Goldpreis um mehr als zehn Prozent gestiegen, auf zuletzt rund 1280 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm).
„Der Goldwert muss sicher messbar sein für jedermann, nicht nur von den Profis, das ist unsere Vision“, erklärt Inge Niedermeier. Eine Vision, die in einem Land, in dem statistisch gesehen drei von vier Erwachsenen irgendein Goldstück besitzen, auch in guten Zeiten auf fruchtbaren Boden stoßen könnte. Von Szenarien wie mit dem Bombentrichter, der als Halde für die wertloses Papiergeld diente, ist die westliche Welt weit entfernt. Aber davon lassen sich die Niedermeiers nicht abbringen. Erfinde in der Zeit, dann hast Du in der Not, könnte man sagen. Hoffentlich dauert es noch eine ganze Weile, bis aus dem Patent der Straubinger ein unverzichtbares Massenprodukt wird.